Ein Sommerurlaub in Ostfriesland

Berufsbedingt wußte ich ja was auf uns zukam und habe schon mal im April einen Campingplatz für den Sommerurlaub gesucht. Da die Vereinsfahrt ausgefallen war kam es schon zu gewissen Entzugserscheinungen. Sogar die angelernte Hilfspaddlerin an meiner Seite – die aber im Leben wie im Zweierboot eine excellente Schlagfrau abgibt – meinte, ob wir nicht mal wieder was mit dem Klepper machen könnten im Urlaub. Also am besten etwas mit schönem See zu Baden und der Möglichkeit Rundkurse zu fahren.

Die Ostfriesen haben die gleiche Eigenart wie ihre westfriesischen niederländischen Verwandten und bezeichnen ein Meer als See und einen See als Meer. So ist das Isselmeer ein See – als es noch ein Meer war hieß es schließlich Zuidersee – und das Große Meer eine schöner Binnensee in Ostfriesland, als Moorsee nur so 80cm tief, was durchaus badetaugliche Wassertemperaturen versprach. Ich habe dann rasch einen Platz gebucht und konnte dem sommerlichen coronabedingten Run auf alle Campingplätze gelassen entgegensehen. Die Anfahrt war dann schon absolut Vereinsfahrttauglich und bescherte dem Fahrer die bekannte Frage ob jetzt das Navi denn spinnt, das hier auf diesen besseren Feldweg will und ob man da denn wirklich mit Gespann hereinfahren soll. Später wird sich zeigen, daß das wirklich die schnellste Verbindung aus Richtung Süden von der Autobahn ist. Nach Anmeldung erweist sich der Platz als wirklich idyllisch gelegen, selbst das alte Waschhaus ist nach Kanutenmaßstäben üppig, die Duschen sogar richtig heiß. Für weniger leidgeprüfte, also normale Camper gibt es am Platzeingang am Wohnmobilübernachtungsplatz noch ein hochmodernes, aber kostenpflichtiges Waschhaus.

Interessanterweise war der Platz nie ganz ausgebucht, und die norddeutsche Gelassenheit schlug voll auf die coronabedingten Regeln durch. Es durften nie mehr als 4 Personen zugleich ins Waschhaus, man sah auch nie mehr, eventuell aber auch weil man Menschen in Duschkabinen ja nun nicht sehen kann. In die Spülküche durften zwei Personen, und wer herumstand und quatschte oder abgetrocknet hat, zählte natürlich nicht, es heißt ja Spülküche. Da unter dem Campern niemand vom RKI war und Herr Lauterbach nicht campt, haben wir auch alle überlebt. Dem Ordnungsamt war die Anfahrt wohl auch etwas zu mühselig. Es war ein erfreuliches Stück Freiheit, und ich höre jetzt die Band Santiano mit etwas anderen Ohren!

Es gibt eine Surfschule sowie eine Kanu- und Radstation, man kann dort auch bequem eigene Kanus zu Wasser lassen. Neben Fahrten auf dem Meer selber gibt es zwei Rundkurse von 8 und 16 km, die wir gerne genutzt haben. Man kann auch längere Touren fahren, u.a. nach Emden bis in die Ems oder bis nach Greetsiel, das sind wir mangels Pendelmöglichkeit aber nicht gefahren. Die in der Nähe gelegen Restaurants hatten reduzierte Öffnungszeiten bei allerdings für eine Ferienregion sehr moderaten Preisen.

Neben zahlreichen schönen Küstenorten und der Stadt Emden gibt es noch ein absolutes Highlight zu besuchen, nämlich die für ihren Kreuzschifffahrtsbau bekannte Meyerwerft. Es gibt nur drei Werften weltweit, die Schiffe auf diesem Niveau bauen können, interessanterweise liegen alle in Europa, neben Meyer noch STX in Frankreich und Fincantieri in Italien. In der Ausstellung hat mich eine Zahl beeindruckt: Etwa 60% der Mitarbeiter besitzen ein eigenes Haus! Eine solche Wertschöpfung selbst für seine Angestellten zu schaffen ist eine echte unternehmische Leistung! Traurig sich später die praktisch stilliegende Werft anzuschauen, wo nur ab und an mal ein Schweißbrenner zu sehen ist.

Leider hat das mit dem Baden nicht so geklappt, die Temperaturen waren nicht danach, und bei Abfahrt wußten wir warum alle Dauercamper einen Windschutz um die Parzelle haben…..

PS: Der Text stammt aus dem Herbst 2020 und hat es aus Zeitgründen erst jetzt auf die Homepage geschafft. Der Verfasser hat der Versuchung widerstanden, die obige Formulierung im Lichte der weiteren Karriere des genannten Herrn nachzuschärfen.

4 thoughts on “Ein Sommerurlaub in Ostfriesland

  1. „Etwa 60% der Mitarbeiter besitzen ein eigenes Haus!“
    …naja, zum einen ist dies hier ein strukturschwacher Raum, wo „Familen“hilfe beim Häusle-Bauen noch groß geschrieben wird, da hilft dann gerne mal der Kegelverein oder die Fußballmannschaft (für Kiste Bier und Grillparty) mit – zum anderen Grundstückspreise weit unter 50€ pro m² es noch erschwinglich machen. Platt auffem Land kostet der Baugrund manchmal gerade mal 15-20€ / m².
    Das oben zitierte ist dann whl eher KEINE Leistung vom Holländer Jos L.Meyer.
    Der Herr beschäftigt ca.20% der Mitarbeiter direkt, natürlich haben die tolle Sozialleistungen und ein anständiges Facharbeitergehalt. Die restlichen 80% der auf der Werft arbeitenden? Aus Rumänien und anderen osteuropäischen Staaten, beim Subunternehmer des Subunternehmers angestellt, ohne Sozialabsicherung o.ä., leicht austauschbares menschliches Material, untergebracht in 10er und 15er Bett-Zimmern auf dem nächsten Landgasthof mit Etagenklo. Da wieß man wo 2021 die 1000er Inzidenz für die Stadt Papenburg während der Corona-Pandemie herrührte.
    Es ist halt nicht alles aus Gold was am tolen Kreuzfahrtschiff glänzt…
    Take care 🙂

    • Die Besonderheiten des ländlichen Raumes, speziell in Ostfriesland, sind mir natürlich bewußt. So ähnlich wie beschrieben funktioniert Hausbau hier im Münsterland oder im Sauerland auch immer noch.

      Der zweite Teil erscheint mit dann doch etwas einseitig „gewerkschaftlich“ gesehen. Man kann es einem Unternehmer nicht verdenken, wenn er die Inflexibilität des Arbeitsmarktes in Deutschland zu lösen versucht, um sein Geschäftsmodell überlebensfähig zu halten. Es ist die gleiche Diskussion wie hier mit dem Arbeitern, die zu Spargelernte anreisen. Es muß Gründe geben, daß das kein Einheimischer machen will. Und die es machen kommen gerne und sind sehr unglücklich, wenn die Verdienstmöglichkeit z.B. wegen Corona ausfällt.

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